Autor:
Hubert Weitensfelder
Das Bürgertum
Ein erheblicher Teil des Bürgertums lebte im Markt bzw. Niederdorf; dieser Ortsteil für sich betrachtet kann in gewisser Hinsicht als "Stadt im Dorf" betrachtet werden. Um 1850 lebten dort rund 380 Wohnparteien. 28,3% der Haushaltsvorstände übten neben ihrem Beruf auch die Landwirtschaft aus, dazu kamen 9,4% ausschließlich in der Landwirtschaft Tätige, 3,4% Taglöhner sowie 2,9% Fabrikarbeiter. Aus diesen Angaben wird deutlich, dass ein großer Teil der Gewerbetreibenden im Niederdorf lebte; Bauern und Fabrikarbeiter waren dagegen unterproportional vertreten.
Die ältere Forschung über Dornbirn hat die Kontinuität dominierender ortsansässiger Sippen, wie etwa der Rhomberg, betont. Im Lauf der Zeit wanderten aber auch Familien zu, deren Angehörige das heimische Bürgertum ergänzten. Dazu nun einige Beispiele, zunächst von Schweizer Migranten.
Aus Rorschach im Kanton St.Gallen stammte Josef Anton Lanter (1766-1835); er heiratete Maria Franziska Stauder aus Dornbirn und gründete hier einen Handelsbetrieb. 1796 ließ er ein großes Patrizierhaus am Marktplatz errichten. In den Jahren 1808/09 fungierte Lanter als Ammann in Dornbirn; 1817 kehrte er nach Rorschach zurück. Aus der gleichen Ortsschaft stammte Gebhard Martignoni (1778-1853), der in Dornbirn als Arzt tätig war. Von Josef Ignaz Rüsch, der mit seinem Vater aus dem Kanton Thurgau zuwanderte und später eine Maschinenfabrik gründete, war bereits die Rede.
Auch aus dem südlichen Tirol wanderten Personen zu, so etwa der bereits erwähnte Hotelier Josef Weiss aus Meran. 1874 erhielt außerdem Eugen Bertolini, der Sohn eines Kaufmanns aus Rovereto, das Heimatrecht in Dornbirn. Sein Sohn Franz (1875-1962) wurde später ein prominenter Arzt in der Gemeinde.
Wie lässt sich nun das Bürgertum von den anderen Schichten abgrenzen? Ein Kennzeichen ist, dass Bürger im Allgemeinen über mehr Besitze als ihre Mitbewohner verfügten. Von Dornbirner Fabrikanten sind kaum Verlassenschaften überliefert, die uns Auskunft über ihr Vermögen geben. Einen gewissen Eindruck vermittelt der entsprechende Akt des aus Bildstein stammenden Johann Michael Lenz, der sich an der ersten Spinnerei Vorarlbergs in Dornbirn beteiligte und später in Bregenz verstarb. Lenz hinterließ nach seinem Ableben 1859 ein Aktivvermögen von rund 275.310 Gulden. Sein Anteil an der Spinnerei machte knapp ein Drittel dieser Summe aus; weitere 37% hatte Lenz in Aktien der Österreichischen Nationalbank angelegt.
Um 1800 ließen zwei Handelsleute im Ortszentrum repräsentative Neubauten errichten. Neben dem bereits erwähnten Josef Anton Lanter war dies Marx Alois Luoger, der in den 1790er Jahren den Betrieb seines Vaters wesentlich ausweitete und sich unter anderem als Textilverleger betätigte. Um seinen Status zu dokumentieren, ließ Luoger 1798/99 in der Marktstraße ein prunkvolles Haus bauen. Wenige Jahre später geriet er jedoch in einen spektakulären Konkurs, von dem er sich zeitlebens nicht mehr zu erholen vermochte.
Literatur:
WEITENSFELDER Hubert: Fabriken, Kühe und Kasiner - Dornbirn im Zeitraum von 1770 bis 1914. In: Werner Matt, Hanno Platzgummer (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dornbirn. Band 2, 2002