Autoren:
Ingrid Böhler
Werner Matt
1. Mai
Im Spannungsverhältnis zu den kirchlichen Feiertagen entstand ein proletarischer Festkalender. Höhepunkte bildeten die Feiern am 1. Mai und am 12. November, dem Tag der Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich. Gedenkdaten, welche zu begehen für das bürgerlich-konservative Lager nicht in Betracht kam. Es brachte die Nicht-Würdigung des als „links“ empfundenen „Tages der Arbeit“ und Nationalfeiertages mit dem Kartoffel- und Mais-Setzen im Frühjahr bzw. dem Abschluss der Feldarbeit in den Riedäckern im Herbst öffentlich zum Ausdruck. So kamen auch diesem die „geschenkten Arbeitstage“ sehr gelegen, und der dazu kursierende Spruchin Dornbirn lautete: Die Schwarzen gehen „ga lägala“ [jauchen], die Roten haben den Umzug gemacht. (Ferdinand K.)
Nach den Angaben der „Wacht“ demonstrierten etwa am 1. Mai 1923 ca. 1.400 Personen ihre Solidarität mit der ArbeiterInnenbewegung. Es wurde als fixer Bestandteil des 1. Mai-Rituals am Grab des Chefredakteurs der „Vorarlberger Wacht“ und Pioniers der ArbeiterInnenbewegung des Landes, Hermann Leibfried, ein Kranz niedergelegt.
Nach 1945 waren für SPÖ und KPÖ die jährlichen Umzüge und Demonstrationen zum 1. Mai eine der wenigen Gelegenheiten, sich öffentlich zu präsentieren. Anders als in der Ersten Republik kam es zu keinem gemeinsamen Auftreten. Beim Maiaufmarsch der SPÖ 1946 wurden rund fünfhundert TeilnehmerInnen gezählt. Bei der ersten kommunistischen Maifeier 1947 marschierten zweihundert Menschen durch die Stadt, fünfhundert nahmen an der Schlusskundgebung am Rathausplatz teil. Die Dornbirner SPÖ konnte in diesem Jahr rund 1.000 Marschierende und 4.500 BesucherInnen vorweisen. In den folgenden Jahren nahm der Besuch sehr stark ab, 1948 besuchten nur mehr 350 Personen die 1. Mai-Feiern von SPÖ und KPÖ in Dornbirn, 1949 konnte die Maiveranstaltung der KPÖ nur mehr fünfzig Menschen auf den Dornbirner Rathausplatz locken. Als „bürgerliches“ Gegenstück galten die Lichterprozessionen und Marienwallfahrten nach Rankweil, 1948 berichtet die BH Feldkirch von 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
SDAP-Kundgebung, 1929 Orig. Stadtarchiv Dornbirn/SPÖ Landesorganisation/J.A. Malin-Gesellschaft, Sign. 116/2012
Literatur:
Ingrid Böhler: Dornbirn 1914-1945. In: Werner Matt, Hanno Platzgummer (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dornbirn, Band 2, 2002, S. 165.
MATT Werner: Das Dornbirner Arbeiterheim – ein sozialdemokratischer Dorn im „bürgerlichen Fleisch“. In: Dornbirner Schriften, Heft 22 (1996), S. 274f.