Autor:
Ingrid Böhler
Arbeiterräte in Dornbirn
Dornbirn wurde im März 1919 zum Schauplatz des einzigen massiven Auftretens der Rätebewegung in Vorarlberg. Den Anstoß lieferte ein für Oberösterreich bestimmter Transport von Nutzvieh. Das Land sollte im Gegenzug dafür dringend benötigte Heulieferungen erhalten. Martin Natter erinnerte sich in einem 1936 für die Turmknopfchronik verfassten Bericht:
An einem Sonntag Vormittag im Februar 1919 ging die Kunde durch die Stadt, es rolle ein Eisenbahnzug mit Vieh beladen von Bregenz nach Innerösterreich. Es waren gerade die Gottesdienststunden vorbei, viele Männer stunden wie üblich am Marktplatz bei der St. Martinskirche herum; im nu sammelten sich Hunderte davon und stürmten nach dem Bahnhof und in denselben hinein, der Zug traf eben ein, sie hängten die Viehwagen ab, luden das Vieh aus und es wurde dasselbe in die städtischen Markthallen verbracht. Es waren das keine Rebellen – aber von roten Rebellen geführte, aufgehetzte, verbitterte Bauern und notleidende Arbeiter.
Der Dornbirner Arbeiterrat (die „roten Rebellen“ in der Sprache Natters) war scheinbar sogar Initiator der Abkoppelung der Waggons gewesen. Der spontane Zulauf und die Zustimmung, die diese Maßnahme erhielt, steigerten sich bei der am nächsten Abend von den Räten abgehaltenen Versammlung noch. 4.000 Menschen sollen es gewesen sein, die sich auf dem Dornbirner Marktplatz einfanden, um den Rednern der sozialistischen Organisationen zuzuhören.
Die Spitzenpolitiker aus der sozialdemokratischen Landtagsfraktion suchten zu beruhigen. An diesem Abend offenbarte sich deren widersprüchliche Situation. Sie sprachen zu einer – für diese Zeit typisch – hoch politisierten Menge, hinter welche sich die lokalen Räte stellten. Räte und DemonstrantInnen erzeugten einen willkommenen Druck, der sich auch politisch im Landtag instrumentalisieren ließ. Gleichzeitig zwang die Staatsraison, Rücksichten zu üben. Nach einigen Tagen erzielte die Landesregierung am 13. März mit dem Dornbirner ABS-Rat eine Einigung über das immer noch in Dornbirn verwahrte Vieh. Bis auf acht Stück wurde es zum Abtransport freigegeben. Der ABS-Rat legte Wert darauf klarzustellen, mit seiner Aktion nur im Interesse des Volkes gehandelt zu haben, er weist [...] insbesondere den Vorwurf des Bolschewismus zurück.
Die christlichsoziale Mehrheit suchte die eigene Macht mit Gegendemonstrationen sichtbar zu machen. Rund 5.000 Menschen fanden sich in Dornbirn am Palmsonntag 1919 zu einer Kundgebung zusammen. Bürgermeister Luger und ein Vertreter der deutsch-freiheitlichen Partei traten als Redner auf und brachten damit den Schulterschluss der besitzenden bäuerlich-bürgerlichen Schichten zum Ausdruck.
Literatur:
Ingrid Böhler: Dornbirn 1914-1945. In: Werner Matt, Hanno Platzgummer (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dornbirn, Band 2, 2002, S. 165.