Autor:
Ingrid Böhler
Die politische Entwicklung in der Ersten Republik
Die politische Revolution, die sich zwischen militärischer Niederlage und den Wahlen zur Nationalversammlung im Februar 1919 vollzog, verlief im Wesentlichen unblutig. Obwohl das ersehnte Kriegsende große gesellschaftspolitische Umwälzungen brachte, überwogen die Kontinuitäten. Im Land überdauerte die politische Landeselite die Monarchie genauso wie der Beamtenapparat; besonders deutlich zeigte sich dieses Faktum aber anhand der Parteien, die als politisches Strukturelement bestehen blieben und nun an die Stelle der alten Herrschaft rückten. Sie entschieden sich zur Koalition und Zusammenarbeit, um Chaos und Anarchie zu verhindern. Das galt gleichermaßen für Wien, wo die von der sozialdemokratischen Fraktion angeführte Koalition bis 1920 hielt, und Bregenz, wo sich eine Proporzregierung bildete. Die SDAP hatte sich bis 1918 durchaus zu einer staatstragenden Partei geformt, kommunistische Experimente zu verhindern lag auch in ihrem Sinn. Ihr Aufstieg von der Gegen- zur Machtelite weckte bei den Christlichsozialen und Deutschnationalen, die aus einer Position der Schwäche heraus operierten, dennoch Ängste.
Obwohl die Notwendigkeit des gemeinsamen Weges als gegeben anerkannt war, beseitigte sie jedoch zu keiner Zeit, weder an der Basis noch bei den Eliten, die ideologische Fragmentierung zwischen katholisch bzw. sozialistisch geprägten Wertvorstellungen. Im Laufe der 20er Jahre verschärfte sich diese Polarisierung der beiden politischen Lager. Letztlich rieb sich die Demokratie an der Feindseligkeit, mit der die weltanschaulichen Gegensätze in das politische Leben einflossen, auf. Ein deutliches Zeichen der Instabilität des politischen Systems waren die 23 Regierungen mit insgesamt zwölf Regierungschefs, auf die es die Republik zwischen dem 30.10.1918 und dem 25.7.1934 (Dollfuß-Attentat) brachte. Fehlende Demokratiereife oben wie unten, hohe Gewaltbereitschaft an der Basis, die sich im Aufbau von Selbstschutzverbänden manifestierte und eine Bundespolitik, deren Stil zunehmend Konflikte über das Verbindende stellte und diese in die Länder hineintrug, bildeten die Versatzstücke des Niedergangs. Auch im Ländle ging man diesen Weg mit, wiewohl hier die Machtverhältnisse sich anders verteilten als im „roten“ Wien.
Literatur:
Ingrid Böhler: Dornbirn 1914-1945. In: Werner Matt, Hanno Platzgummer (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dornbirn, Band 2, 2002, S. 165.