Autor:
Ingrid Böhler
Lebensmittelkarten im Ersten Weltkrieg
Bereits wenige Wochen nach Kriegseintritt setzte die Regierung, um der Preistreiberei zu begegnen, Höchstpreise für Mehl und Getreide fest. In Etappen folgten weitere Preisregelungen, die Beschlagnahme und Erfassung der Ernten sowie die Festlegung von Verbrauchsquoten durch die Einführung von Bezugsscheinen, als erstes für Brot und Mehl im April 1915. Sukzessive folgte die Rationierung weiterer Nahrungsmittel (März 1916 Zuckerkarte, September 1916 Fettkarte, Juni 1917 Milchkarte, Juli 1917 Fleischkarte). Mit dem Kartensystem erhoffte man sich eine Beschränkung des Verbrauches und eine gerechte Verteilung der vorhandenen Lebensmittel.
Anfangs erfolgte die Ausgabe der bewirtschafteten Lebensmittel durch die 41 Handelsgeschäfte und 13 Bäckereien der Stadt Dornbirn, ab 1916, nachdem des Öfteren Unregelmäßigkeiten und Bevorzugungen bei der Zuteilung bekannt geworden waren und die übergeordneten Ernährungsbehörden eine Dezimierung der Brot- und Mehlverkaufsstellen vorgeschrieben hatten, nur mehr durch eine eigens geschaffene Vertriebsstelle in jedem der vier Bezirke. Fleisch gelangte über das städtische Schlachthaus, aber auch weiterhin über privaten Vertrieb an die Kartenbesitzenden, den Bäckereien blieb von ihrem bisherigen Tätigkeitsbereich nur mehr die Broterzeugung. Die Lebensmittel konnten in den neu geschaffenen Läden unter Abgabe des entsprechenden Kartenabschnittes von denjenigen, die nach dem Alphabet an der Reihe waren, zu bestimmten Zeiten und zu einem vorgeschriebenen Höchstpreis erstanden werden. Mit den neuen Verkaufsstellen begegnete man auch dem Missstand des „Anstellens“, eines besonders beschwerlichen Phänomens des Kriegsalltags. In den Geschäften war es häufig vorgekommen, dass die Lebensmittelkartenbesitzenden die ihnen zustehenden Quoten nicht erhalten hatten, weil nicht ausreichend Vorräte vorhanden gewesen waren. Da die besten Aussichten diejenigen hatten, die als erste ihre Einkäufe erledigten, stellten sich die Menschen bereits in den frühen Morgenstunden oder gar noch früher vor den geschlossenen Geschäften an.