Autor:

Werner Matt

Die OptantInnen aus Südtirol

In der Geschichte Dornbirns war Zuwanderung aus Südtirol keine Seltenheit. Prominentestes Beispiel ist der Hotelier und Weinkellereibesitzer Josef Weiß, der das gleichnamige Hotel direkt am Bahnhofsplatz betrieb. Ganz anders als diese individuelle Zuwanderung war die Geschichte jener Menschen, die aufgrund der Option zu uns kamen. So wird jener historische Vorgang genannt, der rund 75.000 Menschen aus der Provinz Südtirol zwang, ihre Heimat zu verlassen. Die beiden Diktatoren Adolf Hitler und Benito Mussolini hatten im Juni 1939 vereinbart, dass Deutschland jeden Anspruch auf die Provinz aufgeben würde, wenn Italien die deutsch Sprechenden ausreisen ließe.
Die Menschen in Südtirol standen nun vor der Wahl, entweder ihre Heimat zu verlassen oder ohne Minderheitenrechte „italianisiert“ zu werden. Dieser brutale Eingriff in das Leben stellte Familien und ganze Dörfer vor Zerreißproben und schuf zwei unversöhnliche Lager, das der „Geher“ und das der „Dableiber“. Ende 1939 stimmte die Mehrheit von 86 % für die Wahlmöglichkeit „Deutschland“, schlussendlich wanderten jedoch „nur“ rund 75.000 aus, was etwa einem Drittel entsprach. Von diesen blieben rund 80% in Österreich, nach Vorarlberg kamen 10.681 Personen. Ihren Wohnsitz in Dornbirn fanden knapp über zweitausend Südtirolerinnen und Südtiroler, 1946 stammte bei einer Bevölkerung von zwanzigtausend Menschen jeder Zehnte aus Südtirol.
Vor allem die Textilindustrie setzte sich für eine große Zahl an Umsiedlern ein, sie sollten die mittlerweile in der Wehrmacht befindlichen Arbeitskräfte ersetzten.
In Dornbirn begann im November 1939 der Bau der „Südtirolersiedlungen “. Aufgrund der großen Armut der zuziehenden Familien kam es zu Schuhspenden, Kleidersammlungen, Suppenausgabe für Kinder usw. Es gab zum Teil heftige Ressentiments von Seiten der Einheimischen, Worte wie „Lumpenproletariat“, „Sozialschmarotzer“, „Tschingolar“ und „Karrenzieher“ fielen.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs galten die Menschen aus Südtirol nun nicht mehr als Einheimische, sondern als Deutsche, weil Österreich auf ihre Rückkehr nach Italien hoffte. Etwa ein Fünftel kehrte nach Italien zurück. Erst nach und nach erhielten die hier gebliebenen die österreichische Staatsbürgerschaft. Gegen sie gab es immer noch viele Vorurteile, jede Kleinigkeit wurde an den Pranger gestellt. Unter dem Titel „Bettelunwesen“ schrieb Bürgermeister Moosbrugger im Gemeindeblatt, „dass aus Dornbirn Scharen von Südtiroler Kindern, darunter teilweise auch Erwachsene, in Lustenau von Haus zu Haus Kartoffeln und Obst betteln“ und drohte mit Anzeigen.
Die Reaktionen der SüdtirolerInnen folgten dann einem bekannten Muster, sie gründeten eigene Verbände, etwa 1946 den „Verband der Südtiroler in Vorarlberg“, und Vereine, beispielsweise 1948 den Chor „Die Vogelweider“, in Dornbirn.


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Literatur:

PICHLER Meinrad: Nationalsozialismus in Vorarlberg, 2012, S. 118f. BÖHLER Ingrid: Dornbirn in Kriegen und Krisen 1914-1945 (Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte, Bd. 23), 2005, S. 201f. GREBER Gebhard: Heiligenbilder statt Führerbilder. Zur Ansiedlung von Südtiroler Optanten in Dornbirn. Dornbirner Schriften Nr. 9, 1990, S. 108-123. MATT Werner: Zuerst das Notwendige ... Dornbirn von 1945 bis 2000. In: Geschichte der Stadt Dornbirn. Band 2, 2002, S. 286f.