Autor:
Ingrid Böhler
Streiks in der Ersten Republik
Es gab eine Reihe von größeren und kleineren Arbeitskonflikten, die in Dornbirn in den Jahren der Ersten Republik ausgetragen wurden. Inflationsbedingt lagen die ArbeiterInneneinkommen real weit unter dem Vorkriegsniveau und überstiegen das physische Existenzminimum kaum. Zwar herrschte in Dornbirn ein für die österreichische ArbeiterInnenschaft relativ günstiges Klima, so dass 1924 deren Reallohniveau jenes von 1913 um 6 % überschritt. In der Textilindustrie reichten die wirklichen Hungerlöhne, wie das „Volksblatt“ 1925 kritisierte, jedoch weiterhin nur zur Deckung grundlegendster Bedürfnisse.
Im Dezember 1919 streikte die Belegschaft des Möbelbetriebs Albert Niederer um höhere Löhne. In der Textilindustrie kam es im Frühjahr 1921 zu Arbeitskämpfen bei der Stickerei Studer und J.M. Fußenegger. Im Mai wurden im Übrigen sämtliche Textilbetriebe im Land bestreikt, nachdem einer 70%igen Lohnforderung das Angebot von 15 % von Seiten der Industriellen gegenüberstand. Freie und christlichsoziale GewerkschafterInnen befürworteten die Maßnahme. Am 23. August 1922 demonstrierten die ca. 2.500 Dornbirner TextilarbeiterInnen. Ende Mai 1923 traten die ArbeiterInnen sämtlicher Dornbirner Bleichereien in Ausstand und erreichten damit eine Lohnerhöhung.
Bei der Firma Rüsch-Ganahl trugen die ArbeiterInnen 1924 nach dreimonatigem Streik ebenfalls einen Sieg davon. Das Unternehmen, das einseitig den Kollektivvertrag gelöst hatte, musste die 89-köpfige bereits entlassene Belegschaft wieder einstellen, nachdem ein angerufenes Arbeitsschiedsgericht diese Kündigungen aufgehoben hatte. Zudem intervenierte die Landesregierung, weil das Unternehmen gerade einen Großauftrag des Landes, die Turbinen für das neue Kraftwerk Gampadels, auszuführen hatte. Ebenfalls der Druck des öffentlichen Auftraggebers trug im Jahr 1927 zum erfolgreichen Ausgang des letzten großen Streiks in der Zwischenkriegszeit in Dornbirn bei. In diesem Fall handelte es sich um die Gemeinde, die Verzögerungen beim Bau des städtischen Wasserwerks fürchtete. Die dabei mitwirkenden Firmen Albrich und Genossen sowie Ruppel A.G. und Peter Sofia aus Wien mussten ihren insgesamt 140 Bauarbeitern den verlangten neuen Kollektivvertrag zugestehen.
Es gab aber auch Niederlagen. Drohungen von Seiten der Textilunternehmer, welche die im Sommer 1925 gemeinsam von der sozialdemokratischen als auch der christlichsozialen Gewerkschaft vorgetragenen Lohnforderungen zurückgewiesen hatten, einem Streik mit Aussperrungen zu antworten, brachten bei einer Urabstimmung in den Betrieben den geplanten Ausstand zu Fall.
Literatur:
Ingrid Böhler: Dornbirn 1914-1945. In: Werner Matt, Hanno Platzgummer (Hrsg.): Geschichte der Stadt Dornbirn, Band 2, 2002, S. 165.