Autor:

Walter Weinzierl

Rochusses

In jener schauervollen Zeit der Pest in Dornbirn fuhr der Todtengräber, durch eine kleine Glocke sich ankündend, bei einbrechender Nacht durch die Bezirke und Gassen der großen Gemeinde. Wo eine Leiche in einem Hause war, hielt er an, lud die Leiche auf seinen Wagen und führte sie auf den Gottesacker, um sie dort zu beerdigen. Vor einem Hause angekommen, meldete man ihm, dass die Tochter verschieden sei. Stumm und gefühllos lud er die Todtgeglaubte auf seinen Wagen, um sie zu den vielen hundert andern in die kühle Erde zu betten. Der Liebhaber des Mädchens schritt, tiefbetrübt über seinen Verlust, hinter dem Wagen her. Plötzlich erfasste ihn der Gedanke: „Sie ist nicht todt!“ Er nahm sie vom Wagen, bemerkte Lebenszeichen bei ihr, trug sie nach Hause und pflegte sie sorgfältig unter eifrigem Gebete für ihre Wiedergenesung. Der Himmel erhörte seine Bitte, und sie wurde vollkommen gesund. Später bat er um ihre Hand, die dem Lebensretter nicht verweigert wurde. Nachdem der Priester sie am Altare ehelich verbunden hatte, gelobten sie, wenn der Himmel ihnen ein Knäblein schenken würde, ihm den Namen Rochus zu geben. Ihr Wunsch gieng in Erfüllung. Das Söhnlein erhielt bei der heiligen Taufe den vorher bestimmten Namen, gedieh, wurde groß und stark, und als sich Rochus, zum Manne gereift, verehelichte und Nachkommen erhielt, nannte man diese und auch alle spätern Nachkommen seiner Nachkommenschaft bis auf den heutigen Tag Rochusses.

Quelle:

Sagen aus Dornbirn gesammelt v. Walter Weinzierl

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